Nüchtern betrachtet, war’s betrunken besser… oder so.

Nüchtern betrachtet, ist der von Trinkspielen ausgehende Trinkzwang befremdlich. Ein Tennisball in einem Bierglas, ein Trinkspruch oder ein Klopfen – und schon trinken Menschen mehr, als sie eigentlich vorhatten. Aber auch wenn man ihnen mit Vorsicht und Verantwortungsgefühl begegnen sollte – eine Existenzberechtigung kann man Trinkspielen nicht absprechen.

Rituelle Handlungen an sich haben laut dem englischen Anthropologen Victor Turner grundsätzlich eine dreigeteilte Struktur: zunächst wird mit einer symbolischen Trennung eine Gruppe aus ihren gewohnten sozialen Alltagsstrukturen herausgelöst. Dann erfolgt eine Grenzsituation – gängige soziale Regeln gelten für einen vereinbarten Zeitraum nicht mehr. In dieser Phase entsteht idealerweise die Hierarchielosigkeit, in der die Gruppe zu einem einzigen Körper verschmelzen kann. Im letzten Schritt erfolgt die Rückkehr in die Gesellschaft, wobei meist ein neuer sozialer Rang eingenommen wird. Hand aufs Herz – wer hat jetzt an einen Junggesellenabschied gedacht!?

Und auch, wenn Turner die wohl kaum gemeint haben wird: sogar die Alten Griechen spielten schon Bier Pong! Allerdings mit Wein und Bronzescheiben. Auch das Zerschmettern der Trinkgläser erfüllte eine rituelle Bedeutung – kein Trinkspruch sollte von einem folgenden Spruch auf dasselbe Glas übertrumpft werden können. Diesen Ritualen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, ist der Befehl zum Trinken gemein. Es scheint, als müssten wir manchmal zu unserem Glück gezwungen werden.

Eine Schwundstufe dieser rituellen Struktur findet sich daher sogar noch in den relativ unzeremoniellen Betriebs-Weihnachtsfeiern. Das Ergebnis ist anschließend zwar kein neuer sozialer Rang – aber immerhin ein stillschweigendes Einverständnis. Sich nach dem gemeinsamen Gelage im Büro wiederzutreffen, kann zwar peinlich werden; oft wechseln die Zecher aber auch nur einen vielsagenden Blick – ein Übereinkommen der Verschwiegenheit. Es sollen ja schon Freundschaften auf diesem Weg entstanden sein.

Und dazu brauchen Sie eigentlich auch gar keine Weihnachtsfeier! Trinkspiele funktionieren auch wunderbar zu zweit daheim – ob Sie nun das bekannte „Wer bin ich?“ zu einem Trinkspiel umfunktionieren, oder bei „Ich habe noch nie…“ Ihre Anekdoten auf Wahrheit oder Lüge überprüfen – mit steigendem Pegel und sich lockernder Zunge kommt man sich näher. Und in welchem neuen sozialen Rang Sie am nächsten Morgen aufwachen? Liegt ganz bei Ihnen. Gegen die Fahne hilft Ihnen St. Sin – auf das richtige Maß und den respektvollen Umgang miteinander achten Sie selbst. Viel Spaß!